Hörweg Groß-Bieberau

Mit dem Ohr unterwegs zwischen Natur, Vergangenheit und Gegenwart

Akustische Ökologie und Kultur des Zuhörens

Die Lehre von der Akustischen Ökologie des kanadischen Klangforschers, Pädagogen und Komponisten R. Murray Schafer wurde in den 1960er Jahren begründet. Sie untersucht das akustische Wechselverhältnis zwischen den Lebewesen und ihrer Umgebung, damit auch die Voraussetzungen für den Stellenwert des Hörens in der Gesellschaft. In einer Umwelt, die von Lärm, unangenehmen Geräuschen und akustischer Monotonie geprägt ist, wird in der Regel nichts Hörenswertes erwartet: Damit einher geht, so die Beobachtung der Akustischen Ökologie, eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber dem Hören: Der Verlust von Höranlässen mündet in einen Verlust an Hörkultur.

Durch das bewusste Auffinden von „Hörenswürdigkeiten“ im Alltag oder die Produktion von sorgfältig gestalteten Hörangeboten in Kunst und Medien können Interessierte zum aktiven Hören und Zuhören motiviert werden, schlägt R. Murray Schafer vor: Ziel ist zum einen, die Freude und den Genuss am Hören zu befördern, zum anderen, den Bedeutungsreichtum der Hörwelt in Verstehen zu überführen und dabei den geistigen wie sinnlichen Erkenntnisreichtum des Hörens zu erfahren.

Der Hörweg Groß-Bieberau ist als „begehbares Stadtarchiv“ konzipiert, in dem charakteristische Kapitel aus der Historie des Orts erzählerisch ausgeleuchtet und den Besuchern „per Ohr“ nahegebracht werden. Mit insgesamt elf „Hörbildern“ (in der Medienfachsprache: „Audio-Features“) lässt der Hörweg Groß-Bieberau Geschichte und Geschichten von zehn wichtigen Landmarken im Ort akustisch hervortreten und leistet dadurch einen Beitrag zu einer aktiven Hörkultur.

Die Akustische Ökologie ist eine interdisziplinäre wissenschaftliche Disziplin, die nicht nur das akustische Erscheinungsbild unserer Umwelt zum Gegenstand hat, sondern auch deren Einfluss auf die Bereitschaft und Fähigkeit zum Hören und Zuhören. Sie wird insbesondere (aber nicht nur) an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Kanada, Australien, Japan, Finnland und Griechenland weiterentwickelt, in Deutschland auf dem Mediencampus Dieburg der Hochschule Darmstadt (Lehrstuhl von Prof. Sabine Breitsameter). Sie hat nicht nur eine Verbesserung der „Lebbarkeit“ und Lebensqualität unserer Welt zum Ziel, sondern will zudem für den besonderen Wert sensibilisieren, den das Hören für das Wahrnehmen, Erkennen und Verstehen unserer Umwelt aufweist.

Aus der Akustischen Ökologie ist eine weltweite Bewegung von Pädagog*innen, Gestalter*innen, Architekt*innen, Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Medienmacher*innen hervorgegangen, die diese Ziele aktiv und praxisorientiert erreichen möchte.

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